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1933
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. w. Morgen sind es auf den Tag 30 Jahre her, daß die Angertalbahn, die die Verbindung zwischen Wülfrath und Ratingen=West herstellt, dem Verkehr übergeben wurde. Am 28. Mai 1903 befuhr ein mit Blumen und Grün geschmücktes Dampfroß zum ersten Mal*1] die soeben fertiggestellte 17 Kilometer lange Strecke. Der Bau des eingleisigen Bahnkörpers war mit nicht geringen Schwierigkeiten verbunden; es mußte ein überaus ungleiches Gelände überwunden, zahlreiche Brücken und Unterführungen angelegt werden Die größte Brückenanlage ist der Viadukt, der in der Nähe der ehemaligen Kantine Prangenhaus mit fünf mächtigen Bogen die Flandersbacherstraße und einen Teil der dortigen Steinbruchanlage überspannt d i e T a l b r ü c k e. Vom Bahnhof Flandersbach aus folgt die Strecke nur noch dem Lauf der Anger bis Ratingen: daher auch ihr Name „Angertalbahn“ Mächtige Einschnitte in das hügelige, ja bergige Gelände, sowie Dammanschüttungen zur Ueberwindung der Täler waren im Lauf |
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Wege angelegt werden. Zwischen den Endstationen Wülfrath und Ratingen liegen drei Bahnhöfe: Flandersbach Hofermühle und Steinkothen. Der letztere hat keine eigene Verwaltung. Der P e r s o n e n v e r k eh r auf der Strecke ist minimal und k a u m l o h n e n d; umso anerkennenswerter ist es, daß er nicht ganz eingestellt wird. An den Wochentagen fahren die Züge zwischen Wülfrath und Ratingen dreimal hin und her. Jeder Zug führt seit Jahren nur noch e i n e n P e r s o n e n w a g e n mit, der selten einmal besetzt ist. An den Sonn= und Feiertagen geht es etwas lebhafter zu: Sonntagszüge verkehren und werden von Ausflüglern, die das reizvolle Angertal besuchen und darüber hinaus nach Düsseldorf und Kaiserswerth fahren, rege benutzt. In den Kriegs= und ersten Nachkriegsjahren erlangte der Personenverkehr zeitweilig einige Bedeutung durch die Beförderung von Arbeitern. die aus dem ländlichen Bahngebiet kommend, in die großen Industriewerke nach Ratingen und Düsseldorf fuhren. Mit dem Beginn der Wirtschaftskrise hörte dies jedoch wieder auf. Vorwiegend dient die Bahn der heimischen Kalkindustrie, zu deren Erschließung sie auch gebaut wurde. Seit 30 Jahren rollen täglich viele tausend Tonnen Kalkstein und gebrannter Kalk aus den Bahnhöfen der Angertalbahn. Der Kalkabsatz der heimischen Brüche an das Baugewerbe die Landwirtschaft und an die verschiedensten Industriezweige und mit ihm die Benutzung der Angertalbahn ist in den letzten Jahrzehnten ganz besonders aber in den Jahren nach dem Weltkrieg, stetig im Steigen begriffen. Seit 30 Jahren stellt die Bahn die nächste Verbindung der zwischen den Eisen und Stahl erzeugenden Industriezentren der Ruhr und des Niederrheinsund dem Wülfrather Kalksteingebiet. Vom B a h n h o f F l a n d e r s b a c h wurden verschickt in den Jahren 1919: 255 132 to Kalkstein, 1920: 289 498 to, 1921: 319 454 to, 1922: 275 466 to, 1923: 133 634 to, 1924: 349 667 to,1925: 340 937 to, 1926: 351 106 to, 1927: 437 960 to, 1928: 482 905 to, 1929: 538 235 to, 1930: 650 844 to, 1931: 543 178 to, 1932: 614 233 to. Das entspricht einer Gesamttonnenzahl von zirka 5½ Millionen to Kalk. Die mächtige Steigerung des Flandersbacher Versandes hat ihre Ursache darin, daß die Brüche in Hofermühle fast gänzlich stilliegen und auch in der Wülfrather Gegend nur beschränkt gefördert wird die Aufträge also meist von den modern eingerichteten Flandersbacher Werken ausgeführt werden. S i e b e n B a h n a n s c h l ü s s e vermitteln den Anschluß der Werke an die Angertalbahn, zunächst in Rohdenhaus der Anschluß der Rhein. Kaltwerke Flandershach, in Hofermühle vier Anschlüsse: aus dem Kruppschen Steinbruch, aus den Rhein.=Westf. Kalkwerken Hofermühle, aus dem Angertaler Kalkwerk Speiser und aus dem Formsandwerk von Jean Lieten und Co. In der Nähe des bekannten Ausflugsortes „Auermühle“ haben die Formsandwerke „Hahnerhof“ ihren Anschluß, etwas weiter liegen die Papierfabrik August Bagel und die Spinnerei Cromfort*2] mit ihren Anschlüssen. Kurz vor Ratingen hat dann nach das stilliegende Eisenwerk Siebeck einen Anschluß. Nicht zu übersehen ist auch die B e d e u t u n g der Angertalbahn f ü r d i e L a n d w i r t s c h a f t, die an den einzelnen Bahnhöfen willkommene Gelegenheiten zum Versand ihrer Produkte wie Heu, Stroh. Milch usw. haben. Die Verkehrsübersichten belehren den geringschätzig auf das „Bähnle“ Schauenden, daß die Angertalbahn eine der ersten Stellen im Güterverkehr der Reichsbahn einnimmt. So stand der Bahnhof Flandersbach vor dem Kriege im Direktionsbezirk Elberfeld zeitweilig in der Anzahl der gestellten Wagen an zweiter Stelle. Daß über die Bahn gern gewitzelt wird, sei ebenfalls erwähnt. Der putzige kleine Personenzug, aus Lokomotive, Personen= und Packwagen bestehend der unter mächtigem Getöse zischend und stampfend über die kurvenreiche Strecke rappelt, ist als „Bimmelbahn“ weithin bekannt. Bald jedoch macht auch dieses gemütliche Vehikel seine letzte Fahrt, denn der E i n s t e l l u n g e i n e s T r i e b w a g e n s oder eines anderen neuzeitlicheren Verkehrsmittels stehen lediglich noch technische Schwierigkeiten im Wege. P.M. |
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Quelle: Morgen-Zeitung Ausgabe Samstag / Sonntag 27.-28.Mai 1933 aus: Deutsches Zeitungsportal (Historische Zeitungen aus den Jahren 1671 bis 1978) *1] zum ersten Mal planmässig - 25.April 1903 Landespolizeiliche Abnahme *2] meint Cromford |
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